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Porträt

„Ich liebe Rhythmus“

Die Pianistin und Komponistin Luzia von Wyl bewegt sich an der Grenze zwischen Jazz und Klassik
Von
Hans-Jürgen Schaal
Foto: Fadil Berisha

Die Musik war bei ihr von Anfang an präsent. Auch wenn die Eltern die Musik nicht beruflich betrieben: Sie besaßen Instrumente und gebrauchten sie auch. „Meine Geschwister und ich taten es ihnen gleich“, sagt Luzia von Wyl. „Bei uns zu Hause standen ein Klavier, ein Kontrabass, ein Schlagzeug, Gitarren, ein Akkordeon, verschiedene Flöten, eine Trompete und zwei Schweizer Alphörner.“ Dinge am Instrument auszuprobieren, darauf zu improvisieren oder kleine Einfälle festzuhalten – das hat sich bei ihr ganz von selbst entwickelt. „Es war letztendlich ein natürlicher Weg, dass ich Komponistin werden wollte.“ Später studierte sie die Musik dann in Bern, Zürich und Luzern. Luzia von Wyl besitzt gleich vier Studienabschlüsse – in Komposition, Klavierspiel, Klavierpädagogik und Musikbusiness („Arts Administration“). „Ich liebe das Klavierspielen, aber das Schreiben von Musik liegt mir fast noch mehr am Herzen. Ich wollte immer Musik schreiben, und es hat sich so ergeben, dass ich mit der Zeit eine eigene Sprache gefunden habe.“

Weder als Komponistin noch als Pianistin ist die Schweizerin einem bestimmten Lager zuzuordnen. Sie komponiert für Festivals zeitgenössischer Musik ebenso wie für Jazzfestivals. Sie schrieb Auftragswerke fürs Swiss Brass Consort, Quintetto Inflagranti, das Zürcher Kammerorchester, das Cochlea Duo, den Pianisten Baron Fenwick, das Chicago Ensemble, das Ensemble Montaigne oder das Nexus Reed Quintet. Auch ihre eigene Formation passt in den Rahmen moderner Kammermusik genauso wie auf Jazzbühnen. Rein subjektiv hat sich Luzia von Wyl allerdings festgelegt: „Ich fühle mich im Herzen als Jazzkomponistin“, sagt sie. „Ich liebe Rhythmus. Und meine Musik soll grooven. Und es soll improvisiert werden. Und ich arrangiere immer wieder um. Und ich mache Ansagen während der Konzerte. Und nach dem Gig sind wir alle an der Bar und reden mit dem Publikum. Das ist doch Jazz?“

2014 erschien das erste Album ihres eigenen Ensembles: „Frost“. Zehn Musiker und Musikerinnen waren das damals, ein groovendes Kammerorchester mit vier Bläsern und zwei Streichern, dazu Klavier, Marimba, Bass und Schlagzeug. Diese Besetzung erinnert ein wenig an Kammerwerke von Strawinsky, die „Geschichte vom Soldaten“ zum Beispiel oder den „Ragtime für elf Ins­trumente“. Auch die Musik mit ihrer Betonung des Motorischen und der eigenwilligen Verschränkung der Instrumentalstimmen geht zuweilen in die Strawinsky-Richtung. Aber Luzia von Wyl stellt klar: „Ich habe kaum musikalische Vorbilder – eher tausende von Inspirationen aus verschiedensten Ecken.“ Bezeichnenderweise fehlen in ihrem Ensemble die typischen Jazzfarben wie Saxofon oder Trompete. Die Schweizerin findet es spannender, „ungewohnte Klänge und Instrumente in den Jazz zu bringen, etwa Marimba und Fagott“. Der Sound ihres Ensembles hat etwas angenehm „Holziges“ – handgemacht und konzise.

Die Instrumentierung ist bis heute dieselbe – auch das Personal hat kaum gewechselt. Maurus Conte (Fagott), Amin Mokdad (Flöte) und André Pousaz (Kontrabass) sind alte Kommilitonen aus Luzia von Wyls Studienzeit in Luzern. Der Geiger Vincent Millioud war ein Studienkollege in Bern. Karolina Öhman (Cello) kam in die Band, nachdem von Wyl für sie das Solostück „Maze“ komponiert hatte. Auf andere ihrer Musiker wurde sie durch deren Konzerte aufmerksam. Manche waren auch „Subs“ im Ensemble, also Vertreter, wenn jemand ausfiel, und haben es dann in die erste Besetzung geschafft – „weil sie einen so tollen Einfluss auf die Band hatten“. In der Schweizer Musikerszene „kennen die meisten die meisten“, sagt Luzia von Wyl. Technisch gesehen ist ihr Ensemble ein Mix aus klassischen Musikern und Jazzmusikern – man ergänzt sich. „Ich kann die Stücke den einzelnen Musikern ‚auf den Leib‘ komponieren, kann ihre Stärken und Vorlieben betonen. Es ist ein Glück, dass die Band nicht nur musikalisch, sondern auch menschlich extrem gut funktioniert. Es sind viele Freundschaften entstanden.“