
Sich mit 19 Jahren auf der großen Bühne eines Klavierfestivals gegen Martha Argerich, Elisabeth Leonskaja und Michail Pletnew zu behaupten, das ist schon was. Beim Festival Le Piano Symphonique im Januar in Luzern spielte Yoav Levanon gemeinsam mit dem Luzerner Sinfonieorchester unter dessen Chefdirigent Michael Sanderling die beiden Klavierkonzerte von Franz Liszt. Und wurde gefeiert für seinen mächtigen, kristallinen Ton und die rasenden Finger, aber auch für seine musikalische Eleganz und sein Feingefühl. Der Israeli, der seit kurzem in Bad Kissingen wohnt und mit seiner schlanken Figur und den halblangen Haaren tatsächlich etwas Liszthaftes an sich hat, genoss das Bad in der Menge sichtlich. Zum letzten Verbeugen kam er wie ein D-Zug an die Rampe, winkte und bedankte sich mit zahlreichen Herzzeichen. So extrovertiert wirkt er abseits der Bühne aber überhaupt nicht.
Herr Levanon, die Liszt-Konzerte und den Totentanz haben Sie hier in Luzern tagsüber aufgenommen. Sind Sie sind glücklich mit Ihren ersten Orchestereinspielungen?
Sehr. Ich habe 2023 mit dem Orchester und Michael Sanderling das erste Klavierkonzert von Paderewski gespielt, das war fantastisch. Michael Sanderling ist ein Dirigent, der offen ist und zuhört. Ich bin noch jung, aber ich habe das Gefühl, er nimmt mich wirklich ernst, ich kann Ideen mit ihm austauschen. Der Saal ist toll, den Produzenten kenne ich von meinen ersten beiden Aufnahmen. Es ist intensiv, macht aber Freude.
Im Februar werden Sie sich mit den Journalisten über Rachmaninows Etudes-Tableaux op. 39 unterhalten, dann erscheint Ihre Aufnahme vom letzten Jahr als digitales Album.
Es ist verrückt. Man nimmt etwas auf, und es erscheint viel später. Die Rachmaninow-Etüden waren mir auch ein Herzensanliegen. Der Liszt wird vermutlich erst in einem Jahr erscheinen.
Es gibt schon so viele Aufnahmen. Warum nehmen Sie überhaupt noch Alben auf?
Wenn ein Konzert vorbei ist, ist es vorbei, niemand kann es mehr hören. Ein Video ist ebenfalls nach ein paar Jahren weg. Mit Aufnahmen kann man etwas bewahren durch die Zeiten. Eine Freundin hat mich vor ein paar Jahren gewarnt: Das Musik-Business ist schlimm, unterschreibe keinen Vertrag, verkaufe deine Seele nicht. Ich liebe es, wie manche Leute über Dinge reden, von denen sie keine Ahnung haben. (lacht) Ich bin glücklich bei Warner – ich kenne ja kein anderes Label. Das Schöne ist, dass sie einem zuhören und versuchen zu verstehen, was man möchte. Natürlich müssen sie Geld verdienen, sie müssen strategisch denken, aber ich habe das Gefühl, es geht ihnen vor allem um die Musik. Als Major-Label haben sie viel Macht, sie können über die Aufnahme- und Musikgeschichte, über die Frage, was bewahrt wird für die Nachwelt, mitentscheiden. Ich denke, sie versuchen etwas künstlerisch Bleibendes zu schaffen. Wenn ich etwas aufnehme, weiß ich, Menschen werden das sogar noch hören können, wenn ich tot bin. Es ist wie eine Live-Performance, aber erweitert. Es ist so perfekt, durch die Aufnahme, die Abmischung, den ganzen Prozess, wie man es nie live zu hören bekommen kann. Es ist eine andere Art, Musik zu präsentieren.
Sagen Sie sich – oder sagt Ihnen die Plattenfirma: Es muss etwas ganz Besonderes werden?
Nein, das habe ich nie von ihnen gehört. Wir Menschen haben den Wunsch, andere glücklich zu machen. Und unser Ego möchte, dass wir andere Menschen beeindrucken. Wenn ich einen Liszt spiele, könnte ich die Leute beeindrucken, indem ich es rasend schnell spiele. Wenn man noch kein großer Name ist, ist die Verführung groß. Aber es darf nicht um mich gehen. Ich muss das machen, was die Musik braucht, nicht mehr und nichts anderes. Und das Lustige ist: Je mehr man äußere Effekte weglässt, desto beeindruckender ist es fürs Publikum. Ich muss nichts Neues oder Besonderes zeigen.
Rachmaninow und Liszt sind Werke, für die man wirklich schnelle Finger braucht. Steht Ihnen diese Musik nahe – oder ist diese Repertoirewahl doch eine strategische Entscheidung?
Es gibt diese strategischen Fragen. Aber darüber denke ich nicht nach. Das gefällt mir an meinem Label, dass sie nicht versuchen, mich so schnell wie möglich „groß“ zu machen. Sie versuchen mich zu präsentieren, wie ich bin, als seriösen Künstler. Ich möchte ich selbst bleiben. Chopin und Liszt waren und sind sehr wichtig für mich, auch Rachmaninow. Das waren die größten Pianisten und Künstlerpersönlichkeiten ihrer Zeit, Liszt wurde gefeiert wie Michael Jackson. Ich habe viel Liszt und Chopin gespielt, das hat mir geholfen herauszufinden, was auf dem Klavier alles möglich ist. Und es hat meine Technik verbessert. Es ist wichtig, dass man nicht in diesem technischen Bereich stecken bleibt. Die Technik zu lernen ist hart, aber wenn man einmal darüber hinaus ist, wenn das Technische keine Schwierigkeit mehr darstellt, dann ist die Virtuosität einfach ein Weg, sich auszudrücken. Mozart ist genauso schwer wie Liszt, aber auf andere Art. Wie zwei Maler, die verschiedene Pinsel verwendet haben.