Das Daniel García Trio: Michael Olivera , Daniel García und Reinier Elizarde
Spanische Musik ist mehr als Flamenco, spanischer Jazz mehr als Flamenco-Jazz. Das muss man mitunter betonen, denn dank der Pionierarbeit von Paco de Lucía und anderen Andalusiern wird nicht selten der Teil für das Ganze gehalten. „Paco war der Wegbereiter“, betont Daniel García. „Er öffnete den Flamenco für neue Einflüsse, trug ihn aus Andalusien hinaus in die Welt, blieb aber stets Flamencomusiker – und zwar der größte.“
García stammt aus Salamanca. Die Stadt in Kastilien und León, nahe der Grenze zu Portugal, stand im Mittelalter unter islamischer Herrschaft. Wie Andalusien, nur nicht so lange, und so lassen sich hier allenfalls Spurenelemente maurischer Einflüsse ausmachen, in der Architektur, nicht zuletzt in der Musik. „Spanische Volksmusik hat immer einen Hauch von arabischer Musik, etwa im Melisma des Gesangs“, erklärt García, um gleich zur Musik seiner Heimat überzuleiten: „Kastilische Musik ist außerhalb der Region kaum bekannt, aber sie ist vielfältig und hochinteressant. Es gibt bestimmte Rhythmen, wie die dreiertaktige ,jota‘ und besondere Instrumente, wie den ,tambor cuadrado‘, eine quadratische Rahmentrommel, die durchweg von Frauen gespielt wird. Wenn sie dazu singen, klingt das unglaublich. Manche meiner Stücke beziehen sich darauf.“
Im Hause García war gleichwohl der Flamenco omnipräsent: „Flamenco höre ich, solange ich denken kann. Meine Eltern hatten Platten von Camarón de la Isla und Paco de Lucía, den Klang hatte ich immer im Ohr. Später, auf dem Konservatorium, wollte ich verstehen, wie Flamenco musikalisch funktioniert. Mit einem Cousin, der Gitarre spielte, nahmen wir uns die Platten vor wie unterm Mikroskop, transkribierten, spielten, und ich versuchte, spezielle Flamencotechniken aufs Klavier zu übertragen. So fand ich Dinge heraus, die ein Gitarrist gar nicht spielen kann, ein Pianist aber doch. Mehrere Jahre lang, von 17 bis 21, versuchte ich, Flamenco auf dem Klavier zu spielen, ließ mich davon inspirieren und lernte dabei eine Menge.“
Ob Flamenco oder traditionelle kastilische Musik, ihre Eignung für eine Fusion mit Jazz sieht García im größeren Kontext: „Die Verbindung von Jazz und Folklore aus aller Welt ist nicht neu. Folkmusik ist per se interessant, denn sie besteht seit Jahrhunderten und wird von Generation zu Generation überliefert, muss also Bedeutung haben. Sie ist bodenständig und zielt auf allgemein Menschliches. Jazz wird ja mitunter intellektuell und akademisch, aber das Gute ist, dass man sich ihm aus allen Richtungen nähern kann. Er erlaubt jeden Zugang. Ich mag Musik, die den Bezug zum unmittelbar Menschlichen nicht verliert. Auch intellektuelle Musik hat mitunter eine solche Seite. Strawinskys „Sacre du printemps“ zum Beispiel ist intellektuell und voller musikalischer Neuerungen, hat aber auch dieses zutiefst Ursprüngliche. Eine solche Ursprünglichkeit kann Folkmusik zum Jazz beitragen. Jazz ist ja kein Stil, sondern eine Art und Weise, an Musik heranzugehen und Musik zu machen.“
Daniel García Diego, so sein vollständiger Name, ist Spross einer Musikerfamilie, die Mutter spielt spanische Gitarre, der Vater war professioneller Schlagzeuger, der mit spanischen Top-Jazzern seiner Zeit spielte und namhafte Popkünstler auf Platten und Tourneen begleitete. Als Souvenirs brachte er Instrumente mit, der Sohn schwärmt noch heute davon: „Mein Vater hatte ein Zimmer voll mit Instrumenten: Drumset, Keyboard, Vibrafon, Xylo- und Marimbafon, Schlagwerk und allerhand exotische Percussion. Nur kein Klavier. Für mich war das eine Art Disneyland, wo ich ausprobieren durfte, wie die Instrumente klingen, was man damit machen kann. Und manchmal spielte mein Vater mit.“
Spielerisch lernte García, bis er mit sechs eine Kindermusikschule besuchte. Die arbeitete ohne Theorie oder Notenlesen, doch hier kam er erstmals mit gängigen Instrumenten in Berührung. Auch mit dem Klavier – worauf die Lehrerin seinen Eltern riet, der Junge solle Klavier lernen. Der fuhr fortan zweigleisig, hielt sich noch ans Probieren und Improvisieren, als seine Ausbildung formaler wurde. Am altehrwürdigen Konservatorium von Salamanca, einem der ältesten überhaupt, studierte er später Klassik; parallel dazu komponierte er Stücke, die aus der Improvisation erwuchsen. Inzwischen galt sein Interesse dem Jazz, denn er merkte: „Im Jazz geht’s um das Was, in der Klassik eher ums Wie.“ Jazz lernte er autodidaktisch, im Zusammenspiel mit dem Vater sowie durch Hören und Nachspielen der Platten seiner Helden, als da wären „Miles Davis und ,Söhne‘: Wayne Shorter, Herbie Hancock, Chick Corea, John McLaughlin, Tony Williams samt deren Bands, außerdem Pianisten wie Bill Evans oder Brad Mehldau“.
Mit 15 gründete García seine erste Band, darin spielte er Drumset. „Mein erstes Instrument war das Schlagzeug. Ich habe noch Fotos, wie ich als Zweijähriger mit dem Drumstick das Tomtom meines Vaters zu erreichen versuche. Von acht bis etwa 22, als ich längst Klavier spielte, übte ich jeden Tag Schlagzeug.“ Was ihn mit Jazzgrößen wie Dave Liebman, Michael Brecker oder Chick Corea verbindet, die neben ihrem Hauptinstrument auch versiert Schlagzeug spielten. „Wenn ein Musiker Drumset spielen kann“, erläutert García, „hört man das in seiner Musik. Man merkt es an der Klarheit, mit der er rhythmische Vorstellungen umsetzt. Viele meinen ja, rhythmisch zu spielen, heiße, ganz exakt und präzise, quasi mathematisch zu spielen. Tatsächlich geht es darum, elastisch zu spielen.