
Hans von Bülow dirigierte die Berliner Philharmoniker, als er mit elf Jahren sein Debüt in der Hauptstadt des Kaiserreiches gab. Camille Saint-Saëns hörte ihn in Paris und sprach vom „größten Wunder dieses Jahrhunderts“. Sergej Rachmaninow, selbst ein bravouröser Pianist, widmete ihm 1909 sein drittes Klavierkonzert d-Moll. Und die „New York Times“ nannte ihn in ihrem Nachruf vom 17. Februar 1957 „a monarch among pianists“. Josef Hofmann, am 20. Januar 1876 in Podgórze, heute ein Stadtteil von Krakau, als Bürger Österreich-Ungarns geboren, war einer der größten Stars, die die Pianistenzunft je hervorgebracht hat. Sein Leben war geprägt von einer Wunderkindkarriere mit Hindernissen, danach einer bemerkenswert langen, glanzvollen Laufbahn, die ihn zu einer der zentralen Figuren des amerikanischen Musiklebens machte, und einem tragischen Decrescendo durch Alkoholismus, das vor allem sein letztes Lebensjahrzehnt verdüsterte.
Schon der Anfang war spektakulär: Anton Rubinstein, die große pianistische Autorität aus St. Petersburg, hörte den siebenjährigen Knaben in Warschau und empfahl ihn umgehend zum weiteren Studium nach Berlin. Als Neunjähriger hatte der junge Josef bereits zahlreiche europäische Länder bereist, als Elfjähriger schickte er sich an, die USA zu erobern. Nicht weniger als 52 Konzerte in nicht einmal drei Monaten hatte ein geschäftstüchtiger Konzertveranstalter organisiert, als die Society for the Prevention of Cruelty to Children einschritt und ihn wegen Kinderarbeit verklagte. Der Manager zog zurück – dafür sprang ein musikliebender Millionär ein, der Familie Hofmann 50.000 Dollar garantierte, wenn ihr Sohn bis zu seinem 18. Lebensjahr keine weiteren Konzerte mehr geben würde.
Somit konnte Josef in Ruhe sein angefangenes Klavierstudium in Berlin fortsetzen, zuerst bei seinem Landsmann Moritz Moszkowski, dann bei Anton Rubinstein persönlich, zu dem er zwischen 1892 und 1894 immer wieder zum Unterricht nach Dresden reiste. Den Abschluss bildete ein gemeinsamer Aufritt mit Rubinsteins viertem Klavierkonzert in Hamburg – Josef Hofmann hatte seinen Klavierpart innerhalb von zwei Tagen lernen müssen. In seinem Lehrbuch „Piano Playing“ von 1909 hat der Pianist seinen Lehrer und dessen Unterricht ausführlich beschrieben: Nie habe Rubinstein ihm auch nur eine Note vorgespielt, stattdessen Fragen zur Interpretation gestellt: „Auf diese Weise hat er versucht, in mir ein eigenes Gefühl für Musik zu wecken und so meine Individualität zu schützen.“