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Porträt
Gesamtkunstwerk in Rot
Warum die Sopranistin Eva Resch eine CD über die Farbe Rot gemacht hat
Von
Arnt Cobbers
Saskia Allers

Schlicht und ergreifend „Rot“ heißt die CD, auf der Eva Resch gemeinsam mit dem Pianisten Eric Schneider ein erstaunlich vielfältiges Siebzig-Minuten-Programm mit Liedern von Mozart bis heute präsentiert. Im – rot-weiß gehaltenen – Booklet findet sich neben den Liedtexten nur ein assoziativer Text von Eva Resch. Wir wollten genauer wissen, wie das Programm zustande gekommen ist. Und Eva Resch, die seit Langem in Hamburg lebt, der man aber deutlich anhört, dass sie ursprünglich aus Passau kommt, gab dann auch bei einem Kaffee bereitwillig Auskunft.

Der Ausgangspunkt war Schuberts „Heidenröslein“. Ich hab mich, das war während Corona, mit Schubert-Liedern befasst und war ganz überrascht, dass es im Text eigentlich um einen Gewaltakt geht. Das hat mich schockiert, dass man solch ein Lied wie ein Volkslied kennt, aber den Text dabei gar nicht richtig wahrnimmt. Das blieb in meinem Kopf hängen. Zeitgleich lag der Zyklus „Das Rot“ von Wolfgang Rihm auf meinem Klavier, da hat er Gedichte von Karoline von Günderode vertont. Und dann begann ich zu recherchieren, was es noch zu Rot gibt. Ich musste feststellen: Es gibt gar nicht so viele Lieder mit Rot im Titel, aber wenn man das Thema weiter fasst, wird es interessant. Denn was assoziieren wir mit dieser Farbe? Das geht von der Liebe über die Scham und die Erotik und über Blut und Gewalt bis zum Feuer, zum Affekt und zu roten Linien, die nicht überschritten werden sollen. Im „Stell dich ein“ von Max Reger zum Beispiel geht es um ein junges Liebespaar, das nicht entdeckt werden möchte und sich die Wangen verdeckt, auf denen sich die Schamesröte zeigt. In „Nannas Lied“ von Kurt Weill geht es um eine Frau, die Prostituierte ist oder war und reflektiert, was das mit ihr gemacht hat – es geht also ums Rotlicht. Und in Carl Loewes „Edward“ kommt in einem Dialog zwischen Mutter und Sohn, der ein blutbeflecktes Schwert trägt, heraus, dass der Sohn gerade den Vater ermordet hat – und dazu angestiftet worden war von der Mutter. Da geht’s um die spannende Frage, wer ist Täter, wer ist Opfer – das ist hier nicht so einfach auszumachen.

Insgesamt spannt sich der Bogen von Mozart bis heute, vom klassischen Kunstlied bis Rainer Bielfeldts Chanson über die „Rinnsteinprinzessin“. Aus den Liedern, die mich emotional angesprochen haben, habe ich dann eine Dramaturgie zu entwickeln versucht: Nach dem „Missverständnis“ von Schostakowitsch als einer Art Prolog beginnt es ganz harmlos mit der Liebe auf den ersten Blick bei Richard Strauss. Dann folgen die ersten heimlichen Treffen, der Geschlechtsakt. In Schönbergs „Erwartung“ geht es ins Betrügen über, und es schließt bei Rihm mit einem Schwur auf die ewige Liebe – aber das ganze Stück steht im Pianissimo, da schimmert das Schicksal der Dichterin Karoline von Günderode durch, die in einer Dreiecksbeziehung gelebt und sich ganz jung umgebracht hat. Insofern ist dieser Schwur auf die ewige Liebe auch mit einem Fragezeichen oder sogar mit einer Tragik verbunden.

Dann folgt eine kleine, abgeschlossene Geschichte: Im „Heidenröslein“ wird einer Frau Gewalt angetan, Paul Dessaus „Intermezzo“ stellt die Frage, was da gerade passiert ist: „Warum sind denn die Rosen so blass?“ Und wieder bei Schubert trauert dann „Der Jüngling auf dem Hügel“ über das Röslein, das seine Farbe verloren hat.

In Paul Dessaus „Den mutigen achtzehn“ geht’s um Gefahr, um die Aufrüstung – leider gerade hochaktuell. Und mit dem „Feuerreiter“ von Hugo Wolff wird’s dann wirklich gefährlich. Im Mittelpunkt steht ein  nicht mehr zu löschender Brand, und thematisch landen wir danach im Krieg. Bei Benjamin Britten geht es um die getöteten Kinder, die in ihrem Blut liegen, und bei Hanns Eisler um die Heimkehrer aus dem Krieg. Und zum Abschluss singe ich zur Musik von Stefan Wolpe ein Gedicht von Erich Kästner, in dem die Frauen die Männer wegsperren, bevor die den nächsten Krieg anzetteln.

Diese Stücke zu entdecken und so zusammenzustellen, hat großen Spaß gemacht. Wir haben dieses Programm schon im Konzert gebracht, und jedes Mal war das Publikum wirklich gepackt und bewegt. Das war schön zu sehen, das ist ja in Teilen auch keine einfache Kost.

Zeitgenössische Musik ist nicht dabei, die singe ich wirklich sehr gern und oft, aber meine Heimat ist doch das klassische Lied. Oper singe ich natürlich auch – ich freue mich, wenn ich mich da ab und zu austoben darf. Aber das mache ich nicht mehr oft, das hat sich einfach aus meiner Situation als Mutter ergeben. Ich war einige Jahre im Engagement in Stralsund und Greifswald, aber da hat mir die Freiheit gefehlt, meine eigenen Projekte zu machen – und auch die zeitgenössische Musik. Ich weiß noch, als ich irgendwann mal die „Weiße Rose“ von Udo Zimmermann singen durfte, war ich ganz glücklich: endlich wieder diese Intervalle! Das war wie Balsam. Ich empfinde aber auch Liederabende als sehr szenisch und denke von der Figur aus, die ich im Lied verkörpere.

Vielleicht klingt es wie ein Widerspruch, aber ich liebe es total, CDs aufzunehmen und im Studio zu arbeiten. Vor Publikum musiziere ich aus dem Moment heraus. Im Studio kann man nachhören, man überlegt, ob es schlüssig ist, wie man sich das gedacht hat, und muss manchmal auch sehr flexibel sein. Da ist es toll, wenn man einen Partner wie Eric Schneider an seiner Seite hat, der sehr erfahren ist, aber auch sehr viel Energie mitbringt. Das ist bereits meine vierte CD bei Genuin, und jedesmal war Michael Silberhorn als Tonmeister dabei. Wir sind ein gutes Team, das macht einfach Spaß, wie überhaupt die ganze Booklet-Arbeit mit der Covergestaltung und den Texten – für mich ist eine CD ein Gesamtkunstwerk.

Nun sehen wir erst einmal zu, dass wir das Programm möglichst oft live präsentieren können. Ich spüre viel Neugier vonseiten der Veranstalter. Und was die nächste CD angeht - ich war letzte Woche im Thalia-Theater in „Moby Dick“, und da gibt es einen langen Monolog, in dem es viel um die Farbe Weiß geht. Das fand ich durchaus interessant. Aber geplant habe ich keine Farbenreihe. Als Nächstes könnte ich mir eher vorstellen, die „Winterreise“ und Bernhard Langs „Cold Trip“ zusammen aufzunehmen …

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