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Lateinamerika
Kreuzung der Kulturen
In der Musik Lateinamerikas verbinden sich die unterschiedlichsten Traditionen
Von
Marian Rosa Montagut

Die Kathedrale in Oaxaca; Gemälde von José María Velasco (1840-1912)

Es ist bekannt, dass die Liebe zur Musik eine angeborene Eigenschaft der Menschen ist. Jede Kultur, jede Zivilisation hatte ihre eigenen musikalischen Praktiken, die mit Gottesdiensten, Bräuchen, Kriegen, der Jagd, Ritualen oder Emotionen verbunden waren, mit ihren eigenen Instrumenten und oft in Verbindung mit verschiedenen Arten von Tanz und Gesang. Amerika bildete da keine Ausnahme, sondern eher das Gegenteil: Bei ihrer Ankunft fanden die Spanier eine tief verwurzelte Praxis vor, die sie überraschte. Die spanische Eroberung Amerikas bestand im Wesentlichen aus drei Phasen: der ersten, die sich auf die Antillen und die Karibik beschränkte (1492-1519), der Ausdehnung auf den Rest des amerikanischen Kontinents (1519-40) und einer letzten Phase, die das Ende der Kolonisierung markierte und bis zu den Philippinen reichte. Die Krone von Kastilien versuchte nicht nur, Ressourcen und Reichtum aus den „neuen“ Ländern zu ihrem eigenen Vorteil zu gewinnen, sondern auch, die einheimische Bevölkerung zum Katholizismus zu bekehren. Dazu wurden viele Spanier nach Lateinamerika geschickt. Noch im 16. Jahrhundert ließen sich etwa 250.000 Menschen auf der westlichen Seite des Atlantiks nieder, bis zum Ende des imperialen Spaniens 1832 waren es fast zwei Millionen.

Nach der Ankunft von Christoph Kolumbus in Amerika am 12. Oktober 1492 wurden die ersten Städte gegründet, und nachdem Papst Paul III. die Eingeborenen in seiner Bulle 1537 zu freien Menschen erklärt hatte, bemühten sich die Spanier sehr, die Eingeborenen zur spanischen Kultur und zur katholischen Kirche zu bekehren.    

Eines der Merkmale der spanischen Kolonisation, das sie von der anderer Länder unterscheidet, ist die Mischehenregelung. Im Gegensatz etwa zu den Engländern, die Mischehen nicht zuließen, weil sie andere Ethnien als unrein ansahen, erlaubten die Spanier in ihren Vizekönigreichen die Heirat zwischen Spaniern und Indianern. Dieses Mestizentum ist auch eines der Merkmale der Musik, die im Zuge der kulturellen Vermischung entstand und die sich in jedem der Gebiete Lateinamerikas mit ihren eigenen Merkmalen, Sprachen, Bräuchen und ihrer Musik anders entwickelte.

Hinzu kam jedoch bald noch eine dritte Bevölkerungsgruppe. Denn die Spanier unterwarfen die amerikanischen Ureinwohner zwar nicht der Sklaverei, aber doch einer gewissen Leibeigenschaft, der sogenannten encomienda: Die Eingeborenen waren verpflichtet, für einen spanischen „encomendero“ zu arbeiten, der seinerseits die ihm Unterstellten zu versorgen hatte. Der Rückgang der einheimischen Bevölkerung und der daraus resultierende Mangel an Arbeitskräften führte zum Kauf von Sklaven aus Afrika südlich der Sahara. Betrieben wurde der Handel von Unternehmen aus verschiedenen Ländern Europas. Angesichts dieser Vielfalt an Herkunftsländern, Kulturen und Glaubensrichtungen legte Papst Alexander VI. in seinen Inter-Caetera-Bullen fest, dass alle Untertanen der Krone Kastiliens zum Christentum in seiner katholischen Ausprägung zu bekehren seien. Und in diesem Bekehrungsprozess, der hauptsächlich von den Missionaren durchgeführt wurde, sollte die Musik eine wesentliche Rolle spielen.

In Amerika war Musik bis dahin nur mündlich überliefert worden. Nun brachten die Spanier eine Musik ins Land, die eine eigene Sprache und Schrift besaß, außerdem musikalische Abhandlungen und Instrumente, von denen eines eine grundlegende Rolle im Prozess der Evangelisierung spielen sollte: die iberische Orgel.

Unter den Kompositionen, die mit den Spaniern kamen, finden wir einerseits sakrale Musik, die für die Aufführung während der Liturgie komponiert wurde, das heißt Werke in lateinischer Sprache (Messen, Antiphone, Klagelieder, Offizien usw.), die von Kapellmeistern geschrieben wurden.

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