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Interview
Wir sollten dankbar sein
Der Geiger Niklas Liepe beschwört in einem neuen Violin­konzert die Schönheit der Schöpfung
Von
Arnt Cobbers
Kaupo Kikkas

Er mag ungewöhnliche Projekte: Auf seinem CD-Debüt 2017 spielte Niklas Liepe die 24 Paganini-Capricen mit Orchesterbegleitung – in teils historischen, teil eigens für ihn geschriebenen Fassungen. Mit den „Goldberg-Reflections“ präsentierte er 2020 Bach-Arrangements und neu komponierte Variationen für Violine und Streichorchester. Auf seinem neuen Album, das wieder bei Sony Classical erscheint, koppelt der 34-jährige Wahlhamburger, der bei Zakhar Bron und Ana Chumachenco studiert hat, Neues und Vertrautes in neuem Gewand: „Tipping Points“ (Kipppunkte) der britischen Filmkomponistin und Oscar-Preisträgerin (für „Emma“ 1997) Rachel Portman und Vivaldi im Breitwandsound des Hamburger Arrangeurs Wolf Kerschek: „The New Four Seasons“. Anlass für ein paar Fragen vor einem Konzert im Berliner Konzerthaus.

Herr Liepe, reicht es nicht mehr, gute Musik zu machen? Muss man dem Ganzen noch eine Botschaft mitgeben und gleich die Welt retten?

Die Welt zu retten werden wir mit dem Album wohl leider nicht schaffen. In der Corona-Zeit 2020 hatte ich als Musiker nichts zu tun. Ich war viel wandern und war erschrocken über das Waldsterben, das ich plötzlich überall sah. Dann hörte ich zufällig den „Earth Song“ von Rachel Portman, ein Chorstück mit einem Text von Nick Drake. Ich hab ihr eine E-Mail geschrieben, sie hat sich meine beiden Alben angehört und dann gesagt: Ja, machen wir ein Projekt zusammen! Meine erste Idee, sich mit den vier Jahreszeiten zu beschäftigen, fand sie nicht so gut, stattdessen schlug sie vor, sich mit den vier Elementen auseinanderzusetzen, die ja der Ursprung des Lebens sind. Aber sie sagte, sie brauche eine Anregung, sie brauche Bilder oder einen Text. Und so kam Nick Drake ins Spiel. Er hat sechs Gedichte geschrieben, und nach jedem Gedicht, das eher sachlich die Bedrohung der Natur beschreibt, folgt die Musik als eine Art positive Antwort. Und die Geige ist der Protagonist, der durch das Werk führt. Es ist Musik, zu der man schnell einen Zugang findet. Es ist eine Ode an die Schönheit der Natur. Wir wollen nicht anklagen. Wir sagen: Wir sollten dankbar sein, dass wir auf diesem Planeten leben dürfen.

Arbeiten Sie im Konzert mit Videos?

Bewusst nicht. Die Zuhörer sollen den Fokus auf die Musik richten – und sich selbst etwas vorstellen. Man weiß ja aus der Forschung, das Gehirn arbeitet mehr, wenn man eine weiße Wand anguckt, als wenn man einen Film anschaut.

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